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Umweltrat fordert Fokussierung auf grünen statt blauen Wasserstoff

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Berlin - Ein wichtiges Ziel der Nationalen Wasserstoffstrategie ist ein schneller Markthochlauf der grünen Wasserstoffwirtschaft. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) sieht beim Aufbau der Wasserstoffwirtschaft derzeit allerdings die Gefahr, dass diese in die falsche Richtung läuft.

Wasserstoff kann eine wichtige Rolle beim Klimaschutz übernehmen, wird aber aus Sicht des SRU auf absehbare Zeit ein knapper und kostbarer Energieträger bleiben. Der Umweltrat SRU empfiehlt in seiner aktuellen Stellungnahme, alle Anstrengungen auf den Markthochlauf von grünem Wasserstoff aus Wind und Sonne zu konzentrieren. Auch übergangsweise sollte die Politik nicht auf fossil erzeugten Wasserstoff setzen.

SRU fordert Vermeidung von H2-Brückentechnologien und Investitionen in die Zukunft
Nach Auffassung des Umweltrates, der die Bundesregierung seit fast 50 Jahren in Fragen der Umweltpolitik berät, drohen beim Aufbau der Wasserstoffwirtschaft falsche Weichenstellungen: Derzeit wird diskutiert, massiv in Wasserstoff (H29 aus fossilen Brennstoffen zu investieren. Die Herstellung verursacht jedoch signifikante Treibhausgasemissionen - auch wenn Wasserstoff aus Erdgas in Kombination mit einer CO2-Abscheidung und Speicherung (CCS) hergestellt wird (blauer Wasserstoff). Bei der CO2-Speicherung bestehen zudem Umwelt- und Gesundheitsrisiken. „Damit würde in Technologien und Infrastrukturen investiert, die in einer treibhausgasfreien und umweltfreundlichen Wirtschaft keinen Platz mehr haben. Statt teurer Brückentechnologien brauchen wir Investitionen in die Zukunft“, kritisiert die stellvertretende SRU-Vorsitzende Prof. Claudia Kemfert.

Eine zweite Fehlentwicklung droht aus SRU-Sicht bei der Nutzung von Wasserstoff. Nicht überall, wo grüner Wasserstoff und synthetische Energieträger eingesetzt werden könnten, sei dies ökonomisch und ökologisch sinnvoll. Wenn grüner Strom direkt genutzt werden kann - wie durch das E-Auto im Straßenverkehr oder die Wärmepumpe in der Wärmeversorgung -, ist das in der Regel preiswerter und umweltfreundlicher. Sinnvoll sei es mit Blick auf die Klimaziele, den Wasserstoff in Teilen der Industrie sowie im internationalen Schiffs- und Flugverkehr einzusetzen.

Darüber hinaus ist aus SRU-Sicht ein Zertifizierungssystem mit anspruchsvollen Nachhaltigkeitskriterien notwendig, damit die Herstellung von grünem Wasserstoff keine Umweltprobleme wie Flächen- oder Wasserknappheit verschärft. Das gelte insbesondere für Importe. Bevor grüner Wasserstoff in großen Mengen importiert wird, sollten die inländischen Potenziale genutzt werden. Dazu müssten zunächst die Wind- und Sonnenenergie in Deutschland massiv ausgebaut werden, so der SRU.

Zur Verklappung von CO2 bei der Produktion von blauem Wasserstoff
Auf der Suche nach neuen industriellen Feldern ist die norwegische Regierung bestrebt, im Land bis 2024 eine umfassende CCS-Wertschöpfungskette zu entwickeln. Dabei setzt Norwegen auch auf blauen Wasserstoff. Der norwegische Öl- und Gaskonzern Equinor plant in Großbritannien im Rahmen des Projektes „Hydrogen to Humber Saltend (H2H Saltend)“ eine große Industrieanlage, in der aus fossilem Erdgas zunächst blauer Wasserstoff erzeugt wird. Die erste Phase umfasst eine 600-Megawatt-Autothermoreformer-Anlage (ATR) zur Umwandlung von Erdgas in Wasserstoff mit Kohlenstoffabscheidung. Die Kohlenstoffdeponierung soll dann mittels CCS-Technologie erfolgen, was die norwegische Industriepolitik unterstützen dürfte. Das in Norwegen aktuell geplante Northern Lights-Projekt ist Teil der norwegischen Strategie und bereits ein CCS-Demonstrationsprojekt im großen Maßstab. Es umfasst die Abscheidung von CO2 aus industriellen Abscheidungsquellen in der Region Oslo-Fjord (Zement und energetische Abfallverwertung) und den Transport von flüssigem CO2 von diesen industriellen Abscheidungsstandorten zu einem Onshore-Terminal an der norwegischen Westküste. Von dort wird das verflüssigte CO2 per Pipeline zu einem Offshore-Lagerort unterseeisch in der Nordsee transportiert und dort "dauerhaft" gebunkert.

Wasserstoff-Farbenlehre: von grün und blau bis türkis und grau
Wasserstoff spielt zwar in dem Bemühen um eine Dekarbonisierung der Wirtschaft eine immer gewichtigere Rolle. Die nähere Betrachtung zeigt jedoch, dass Wasserstoff nicht gleich Wasserstoff ist, jedenfalls dann nicht, wenn es um die Art der Erzeugung und um den Klimaschutz geht.

Von „grünem“ Wasserstoff wird dann gesprochen, wenn zur Herstellung in einem Elektrolyseur regenerativer Strom aus Wind-, Solar, Bioenergie, Wasserkraft oder Geothermie eingesetzt wird.

Beim „blauen“ Wasserstoff wird dieser ganz normal aus fossilem Methan (CH4) hergestellt. Bei der Herstellung entweicht das vor Ort entstehende CO2 jedoch nicht in die Atmosphäre, sondern wird durch CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS, Carbon-Capture-and-Storage) in unterirdischen Kavernen entsorgt.

Ähnlich wie beim „blauen“ Wasserstoff wird auch der türkise Wasserstoff aus herkömmlichem, fossilem Methan hergestellt. Bei der Methanpyrolyse wird das fossile Methan (CH4) jedoch in die Bestandteile Wasserstoff (H2) und fester Kohlenstoff (C) zerlegt, der anderweitig verwendet werden kann.

Die Herstellung des „grauen“ Wasserstoffs in der Industrie erfolgt aus fossilen Kohlenwasserstoffen, meist Erdgas (Methan), mittels Dampfreforming.


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25.06.2021

 



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