Einheitliche Netzentgelte auf Kosten der Offshore-Umlage
Wie die Bundestagsfraktionen von SPD und Union mitteilen, habe man sich nun doch geeinigt, die Stromnetzentgelte der vier Übertragungsnetzgebiete in Deutschland schrittweise zu vereinheitlichen. Das würde normalerweise unter anderem der Industrie in NRW höhere Netzkosten bescheren, doch um dies zu vermeiden, soll ein Teil der Netzkosten einfach umgepackt werden.
Linke Tasche, rechte Tasche: Anbindungskosten für Offshore-Windparks werden zum Spielball
Wie der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, Carsten Schneider, erklärte, sieht der Gesetzentwurf nun vor, dass ab dem Jahr 2019 in vier Jahresschritten die Netzentgelte bundesweit angeglichen werden. Um insbesondere die energieintensiven Betriebe in NRW zu entlasten, werden die Netzentgelte im ersten Schritt um 1,2 Milliarden Euro gesenkt. Um dies zu erreichen, sollen die Anbindungskosten großer Offshore-Windparks an die Stromübertragungsnetze künftig nicht mehr über die Netzentgelte, sondern über die Offshore-Haftungsumlage finanziert werden, erläutert Schneider. Die Entlastungs- und Ausnahmeregeln für stromintensive Industrien gelten auch hier. Die Offshore-Haftungsumlage ist ursprünglich für einen ganz anderen Zweck eingeführt worden. Einnahmeausfälle der Offshore-Windparkbetreiber durch längere Netzunterbrechungen oder einen verspäteten Netzanschluss durch die Übertragungsnetzbetreiber sollten so ausgeglichen werden.
Vermiedene Netzentgelte fallen weg: Belastung für EEG-Umlage
Eine weitere Änderung betrifft die sogenannten vermiedenen Netzentgelte. Solaranlagen erzeugen den Strom direkt vor Ort und belasten die Übertragungsnetze nicht, so die ursprüngliche Begründung. Ab 2018 ist vorgesehen, dass vermiedene Netzentgelte für Wind- und Photovoltaikanlagen in drei gleichen Jahresschritten für Bestandsanlagen sowie für Neuanlagen abgeschafft werden. Bei den steuerbaren Erzeugungsanlagen bleiben die vermiedenen Netzentgelte im Bestand erhalten. Schneider: „Wir deckeln die vermiedenen Netzentgelte grundsätzlich auf den Basiswert des Jahres 2016, rechnen aber hier ebenfalls die Offshore-Anbindungskosten heraus. Diese Förderung bleibt den KWK-Anlagenbetreibern erhalten. Das bedeutet Planungssicherheit. Ausschließlich für Neuanlagen wird die Förderung ab dem Jahr 2022 abgeschafft.“ Die Abschaffung der vermiedenen Netzentgelte wird im Ergebnis vor allem als Einnahmeposten auf dem Konto nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG-Konto) fehlen und so die EEG-Umlage weiter nach oben treiben.
CDU-Fraktionsvize Michael Fuchs kommentierte: „Energiewende und Netzausbau sind gesamtdeutsche Aufgaben. Es ist ein Gebot der Fairness, dass die Verbraucher in den verschiedenen Teilen unseres Landes auch die gleichen Übertragungsnetzentgelte zahlen.“ Das Netzentgeltmodernisierungsgesetz (Nemog) soll 2018 in Kraft treten. Die Angleichung der Übertragungsnetzentgelte soll in mehreren Schritten ab 2019 erfolgen, so dass ab Anfang 2023 ein einheitliches Niveau in ganz Deutschland besteht.
Grundsätzliches Lob kommt von Robert Busch, Geschäftsführer des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft: „Eine wichtige Nachricht ist, dass mit dem Netzentgeltmodernisierungsgesetz eine ordnungspolitische Fehlkonstruktion bei den Netzstabilitätsanlagen geheilt wird.“ Sehr kritisch sehe man aber unter anderem, dass künftig die Kosten für den Netzanschluss der Offshore-Windparks wieder per Umlage auf den Stromverbrauch gewälzt werden sollen.
Netzbetreiber kritisieren einheitliche Netzentgelte
Die Netzentgelte im Osten und Norden Deutschlands waren deutlich höher als beispielsweise im Westen, unter anderem weil die vier Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) die Kosten auf die Verbraucher im jeweiligen Versorgungsgebiet umlegen. In Regionen wie Thüringen, wo der Strom über neue Leitungen durchgeleitet wird, mussten höhere Netzentgelte bezahlt werden. Ein einheitlicher Umlagemechanismus existierte bisher nicht. Kritik kommt jedoch von den Netzbetreibern. "Einheitliche Netzentgelte senken den Druck auf die einzelnen Netzbetreiber, ihr Netz zügig und effizient auszubauen, weil sie die unternehmerische Verantwortung verwischen", mahnt Dr. Hans-Jürgen Brick, Geschäftsführer von Amprion im IWR-Interview. "So steuert Deutschland in eine Energieplanwirtschaft."
© IWR, 2017
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