Strom aus britischen Atomkraftwerken sinkt auf niedrigsten Stand seit über 40 Jahren
Auf der britischen Insel sind derzeit nur noch neun Atomkraftwerke mit einer Leistung von rd. 6.500 MW in Betrieb. Bis zum Ende des Jahrzehnts findet ein großer Umbruch in der britischen Atomkraftwerksflotte statt, denn bis auf ein einziges Atomkraftwerk werden alle alten Kernkraftwerke nach dem derzeitigen Stand bis 2028 abgeschaltet. Ob das einzige Ersatz-AKW Hinkley Point C bis dahin einsatzbereit ist und der Übergang reibungslos erfolgt, bleibt weiter ungewiss. Sicher scheinen nur die weiter steigenden Kosten.
Britische Atomstrom-Produktion fällt auf Stand der 1980iger Jahre
Im Jahr 2023 ist die Stromerzeugung aus britischen Atomkraftwerken auf den niedrigsten Stand seit mehr als vier Jahrzehnten gefallen. Nach Angaben von Bloomberg schrumpfte die britische AKW-Stromerzeugung 2023 auf nur noch rd. 37 Mrd. kWh (2022: 43, 6 Mrd. kWh lt. EDF) und rutschte damit erstmals seit Anfang der 1980iger Jahre unter die Marke von 40 Mrd. kWh Atomstrom.
Grund für diesen Rückgang sind die jüngsten endgültigen Abschaltungen von britischen Atomkraftwerken, allein drei AKW-Stilllegungen mit einer Gesamtleistung von knapp 2.000 MW bzw. 2 GW (Brutto) erfolgten im Jahr 2022. Neben dem Atomkraftwerk Hunterston B-2 (Brutto: 644 MW) wurden 2022 auch die britischen Atomkraftwerke Hinkley Point B-1 mit einer Bruttoleistung von 655 MW und Hinkley Point B-2 (Brutto: 655 MW) aus Altersgründen abgeschaltet.
Der weitere Rückgang der britischen Atomstromproduktion hängt neben den derzeit geplanten AKW-Abschaltungen auch von der Verfügbarkeit der alten Kernkraftwerke ab. So ist aktuell ein Reaktor des Atomkraftwerks Heysham B2 mit 680 MW planmäßig wegen einer Brennstoffbeladung abgeschaltet, die beiden Atomkraftwerke Heysham A1 (625 MW) und B1 (680 MW) sind nach dem Ausfall eines Dampfventils jedoch unplanmäßig abgeschaltet worden und bleiben voraussichtlich bis zum 24.01.204 vom Netz. Damit fehlen Großbritannien Stand heute (08.01.2024) über 1.900 MW britische Atomkraftwerksleistung in der aktuellen Kälteperiode, die durch andere Back-up-Kraftwerke ersetzt werden muss.
Britisches Ersatz-Atomkraftwerk Hinkley Point C im Zeitverzug
Der aktuelle Abschaltplan von Atomkraftwerken in Großbritannien sieht vor, dass von den neun AKW-Blöcken an vier Standorten bis 2028 acht alte AGR-Atomkraftwerke mit einer Brutto-Gesamtleistung von 5.284 MW vom Netz gehen. Damit werden die AKW-Standorte Torness (2 AKW), Heysham-1 (2), Heysham-2 (2) sowie Hartlepool (2) stillgelegt. Nur der Druckwasserreaktor Sizewell B in Suffolk mit einer Bruttoleistung von 1.250 MW (1 AKW-Reaktor mit zwei Generatoren) bleibt bis 2035 dann noch am Netz.
Die Stilllegung der alten britischen AGR-Atomkraftwerke wurde im Zeitplan teilweise immer weiter nach hinten verschoben. Grund dürften vor allem die Verzögerungen beim Neubau des AKW Hinkley Point C mit einer Bruttoleistung von 3.420 MW sein. Die beiden AKW-Blöcke C1 (Brutto 1.720 MW) und C2 (Brutto: 1.720 MW) sollten eigentlich bereits in Betrieb sein. Aktuelles Datum für die Inbetriebnahme ist nun für Block C1 der 01.06.2027 und für Block C2 der 01.06.2028. Doch ob EDF diese Termine einhalten kann, das bleibt weiterhin unklar. Eine neuerliche Verschiebung der Stilllegung der alten AGR-AKW über das Jahr 2028 hinaus scheint bei weiteren Bauzögerungen bei Hinkley Point C insofern noch nicht vom Tisch zu sein.
Hinkley Point C: Kostenüberhang und rasant steigende Kosten für eine Kilowattstunde Atomstrom
Die Kostenspirale für den Bau des britischen Atomkraftwerks Hinkley Point C dreht sich unterdessen immer weiter. Die ursprünglichen Baukosten für das AKW beliefen sich auf 18 Mrd. £ (akt. ca. 21 Mrd. Euro). Der chinesische Partner von EDF, die China General Nuclear Power Group (CGN), hat bisher gemäß der Vereinbarung 33,5 Prozent der ursprünglich veranschlagten Kosten in Höhe von 18 Mrd. £ getragen und die letzte Zahlung überwiesen. Für den restlichen Kostenüberhang ist allein der französische Energieversorger EDF verantwortlich. Da die Kosten mittlerweile auf knapp 33 Mrd. Pfund (rd. 39 Mrd. Euro) explodiert sind und ein Ende noch nicht absehbar ist, muss der hochverschuldete französische Staatskonzern EDF neue Investoren suchen oder der französische Staat übernimmt diese Mehrkosten.
Eine hohe Kostensteigerung ist auch bei dem erzeugten Atomstrom absehbar, wenn die beiden AKW-Blöcke Hinkley Point C1 und C2 in Betrieb gehen. Grundlage ist eine Contract for Difference (CfD) – Vereinbarung, bei dem der französische Atomkonzern EDF von den Briten einen staatlich garantierten Preis für den Atomstrom erhält, der an die Inflationsrate gekoppelt ist und daher in Zukunft voraussichtlich stetig steigen wird. Laut dem britischen CfD-Register liegt der ursprüngliche Startpreis (Initial Strike Price) bei 89,50 £ /MWh, d.h. ca. 10,3 cent/kWh für den Atomstrom. Aufgrund der Preissteigerungen in Großbritannien erreicht die staatlich garantierte Atomstrom-Vergütung aus Hinkley Point C mittlerweile laut dem CfD Register mit Stand vom 01. September 2023 schon gesichert mindestens 128,09 £ /MWh, das sind für EDF garantierte rd. 14,8 cent/kWh für den Atomstrom aus Hinkley Point C.
Schon bei einer angenommenen moderaten Inflationsrate von nur 3 Prozent bis zur Inbetriebnahme von Block 1 des AKW-Hinkltey Point C im Jahr 2027 ergibt sich nach einer IWR-Berechnung ein garantierter Preis für den Atomstrom in Höhe von 16,7 cent/kWh. Zum Vergleich: an der Strombörse EEX werden die Strompreise heute schon für zukünftige Jahre gehandelt. So kostet die Jahreslieferung (Baseload) am 05.01.2024 für das Jahr 2027 in Deutschland 8,5 cent/kWh. Damit wäre nach aktuellem Stand der Atomstrom aus Hinkley Point C im Referenzjahr 2027 ungefähr doppelt so teuer wie der Strom-Marktpreis. Die Differenz zwischen dem Marktpreis und dem garantieren Preis für den Atomstrom im Jahr 2027 zahlt der britische Stromkunde bzw. der Steuerzahler.
© IWR, 2024
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